...oder wie man(n) auf das Fahrrad kommt

Bultaco Metralla 250 von 1969
Bultaco Metralla 250 von 1969

Die Wege vieler Fahrradsammler ähneln sich wenn sie berichten, wie sie zum Hobby fanden. Meist bekamen sie durch Zufall ein altes Rad geschenkt oder retteten es vor der Schrottpresse und richteten es her. Dann kam bei ent- sprechendem Erfolg das Zweite, Dritte usw. Bei mir war es etwas anders, nämlich eine bewusste Entscheidung, mich ab morgen mit alten Fahrrädern beschäftigen zu wollen. Aber der Reihe nach...

 

Suzuki GT380 von 1978
Suzuki GT380 von 1978

Wie fast jeder Mann verfiel ich schon im spätpubertären Alter dem Reiz der motor-isierten Fortbewegung. Nicht aus dem Zwang heraus mich fortbewegen zu müssen, sondern der motorisierten Fort- bewegung als Selbstzweck frönend. Bereits mit sechzehn Jahren nannte ich eine DKW Hummel mein Eigen und wurde natürlich prompt beim Schwarzfahren (Führerschein, wozu?) erwischt, als ich aufgrund einer mangelhaften Bremsanlage fast ein Polizeiauto frontal rammte. Damals auf dem Land keine Riesen-Affäre, trotzdem taten natürlich die 50 Mark, die der Richter mir aufbrummte, weh. Die Hummel wurde mir dann später gestohlen, und als sie die Polizei zufällig im Straßengraben fand (warum wohl?) und mich als Versicherungsnehmer infor-mierte (ich meldete sie allerdings nie als gestohlen), holte ich sie vor- sichtshalber nicht mehr ab, um nicht noch für die technischen Mängel – und das Ding war ein einziger technischer Mangel – geradestehen zu müssen. Diese erste Bekanntschaft mit dem motorisierten Zweirad sollte die nächsten dreißig Jahre prägen.

 

Benelli 650 Tornado von 1972
Benelli 650 Tornado von 1972

Als Student – Studenten hatten damals noch mehr Zeit als heute, so etwas wie Stress kam meist erst einen Tag vor einer Prüfung auf – heckte ich mit einem Freund einen genialen Ge- schäftsplan aus: beide Motorradfahrer und – natürlich – die Oberkenner, wollten wir alte Motorräder günstig er- werben, restaurieren und anschlie- ßend wieder teuer verkaufen. Genial, da kam vor uns noch nie jemand drauf! Zumindest der erste Teil des Plans verlief wie gedacht, es sammelten sich so nach und nach einige alte Motorräder in diversen Schuppen und Garagen an (in den frühen 1980er Jahren gab es aus heutiger Sicht betrachtet noch wirkliche Schnäppchen). Es wurde in eine Werkstattausrüstung investiert und die an- gemietete Garage mit Strom versorgt. Ein über zwanzig Jahre alter Taunus Transit Feuerwehrbus mit gerade einmal 8000 km Laufleistung wurde an- geschafft.

Prester-Jonghi R100 von ca. 1936
Prester-Jonghi R100 von ca. 1936

Irgendwann wurde es dann meinem Kumpel zu blöd weil er heiraten musste - oder wollte, keine Ahnung - und ich stand plötz- lich allein da. Die nächsten dreißig Jahre hatte ich dann neben dem Job genug zu tun, diese Motorräder alle zu restaurieren und nur wenige davon zu verkaufen. Nicht weil sie schlecht gewesen wären, ich konnte mich nur meist schwer von den Dingern trennen, die mein Leben so oft zur Hölle gemacht hatten, wenn mal wieder bei einer Ausfahrt ein teures Geräusch auftrat. Auch teils monatelange Touren durch Europa und Nordafrika standen auf dem Programm, bei denen mich meine alte BMW R75/5 so gut wie nie im Stich ließ, obwohl sie schon weit über 150T km gelaufen war.

Laverda 750 von 1969
Laverda 750 von 1969

Mitte der 1990er Jahre war es dann soweit: ich war reif genug mir die Sinnlosigkeit einzugestehen, die verbliebenen vierzehn Motorräder weiterhin zu behalten, zudem ich sowieso kaum Zeit zum Fahren fand – vom finanziellen Aufwand ganz zu schweigen. Die schönsten meiner Maschi- nen übernahmen zum Glück drei meiner Freunde, so war der Abschiedsschmerz verkraftbar. Ich konnte mir einreden, jederzeit wieder an meine Laverda, Moto Guzzis, Benellis usw. zu kommen, wenn ich es denn irgendwann wollte. Ein Psychologe würde das Selbstbetrug nennen, aber es hilft halt ungemein.

Es folgte eine Zeit ohne ölige Fingernägel, zerschnittene Hände und zerlegter Getriebe auf dem Küchentisch. Der Bus wich moderneren und zuverlässigeren Autos, denn nun war die Fortbewegung Pflicht und keine Kür. Er verrichtete danach noch Dienst als Vereinsfahrzeug.

Man mag diesen Zustand anfangs durchaus als Befreiung begreifen, aber irgendwann sehnt man sich nach den Momenten, wo dich ein mühevoll selbst aufgebautes Fortbewegungsmittel das erste Mal durch die Landschaft trägt – oder einfach nur dasteht und eine Geschichte erzählt. Kurzum, es musste sich etwas ändern...

Da ich bereits zur Motorradzeit ab und zu mal ein rostiges altes Fahrrad als 'Draufgabe' bei einem Kauf entsorgen musste ('Den Schrott nimmst du dann aber auch mit...'), es nebenbei herrichtete und an irgendeinen Studentenkumpel vertickte, der es sich dann meist vor der Uni wieder klauen ließ, kam ich auf die Idee, doch mal ein altes Fahrrad als Wiedereinstiegsdroge zu beschaffen. Motorräder wollte ich eigentlich nicht mehr machen - zu aufwändig und platz-raubend, ein Zweirad musste es aber sein.

 

Fragmente eines Fahrrads der Marke 'Forelle' von 1914
Fragmente eines Fahrrads der Marke 'Forelle' von 1914

Entweder hatte ich alles wieder vergessen, oder nie etwas dazugelernt, denn in kürzester Zeit füllte sich die Scheune meines alten Bauern-hauses mit rostigen Fahrrädern. Jedes ange- botene Rad schien das letzte auf dieser Welt zu sein – und da muss man natürlich zuschlagen!

Als ich mir selbst zu einem runden Geburtstag ein Peugeot aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg schenkte, ein Spontankauf und mein bis zu diesem Zeitpunkt ältester Drahtesel, bemerkte ich, dass mir dieses ganz alte Rad doch am besten von allen meinen Fahrrädern gefiel. Als mir dann noch mitgeteilt wurde, man könne französische Räder im Allgemeinen und Peugeots im Speziellen nicht nach Rahmennummern datieren (nach Nabenstempelungen sowieso nicht, da in Frankreich jede Firma ihre eigenen Naben verbaute und diese nicht datierte) war die Konsequenz klar: Das kann nicht sein, das muss funktionieren, wenn man nur systematisch genug vorgeht. Als gelernter Archäologe war mir ja die Herangehensweise an solcher- art Problemstellungen nicht fremd.

Mein eigenes Geschenk war schuld daran, dass nun die meisten meiner angesammelten Fahrräder wieder gehen mussten und ich mich fortan mit französischen Produkten aus der Belle Époque befasste, speziell mit Peugeot, einem der damals großen französischen Hersteller von Fahrrädern. Peugeot ist auch das Gebiet, auf dem ich wirklich systematisch gesammelt und geforscht habe, da hier die Quellenlage sowie die verfügbaren Fahrräder im Gegensatz zu anderen Herstellern deutlich bessere Voraussetzungen bietet. Alte Kataloge sind zwar mittlerweile fast unbezahlbar geworden, aber zum Glück existieren einige Kopien und es gibt auch (leider sehr wenige) Sammler, die die Informationen nicht nur im dunklen Kämmerlein horten ohne sie auszuwerten, sondern bereit sind, diese für Recherchen zur Verfügung zu stellen.

'Spielzimmer' im Dachboden
'Spielzimmer' im Dachboden

Mittlerweile habe ich meine kleine Sammlung auf 'nur' noch knapp vierzig Fahrräder reduziert. Die meisten davon französischer Provenienz, aber auch einige deutsche Produkte, zwei österreichische, ein Rad aus der ehemaligen k.u.k. Mo- narchie und zwei Schweizer Velos befinden sich darunter. Restauriert bzw. konserviert sind bis jetzt (Stand Januar 2014) etwa die Hälfte davon. Diese werde ich nach und nach in Wort und Bild auf meiner Seite vorstellen. Viele mussten auch schon wieder gehen, somit werden nicht alle Fahrräder die Sie auf meiner Seite sehen können auch noch in meinem Besitz sein, die meisten sind es aber.

 

Ich wünsche Ihnen nun viel Vergnügen beim Lesen der endlosen Texte und dem Betrachten der Bilder! Sollten Sie Fragen, Informationen oder auch Kritik los- werden wollen, scheuen Sie sich nicht mir eine Email zu senden.