Nützliches und Kurioses aus der Welt des Fahrrads

In dieser Rubrik stelle ich in lockerer Folge kurioses Fahrradzubehör vor, das mir bei meinen Recherchen untergekommen ist und mir wert erscheint gezeigt zu werden.

 

Zumeist wird es sich dabei um Katalogabbildungen handeln, denn Vieles ist so kurios, dass man bezweifeln möchte, ob diese Dinge damals überhaupt jemand gekauft hat. Darunter befinden sich aber auch Zubehörteile, die mir durchaus brauchbar und praktisch erscheinen, die aber offensichtlich kein durchschla-gender Verkaufserfolg wurden und daher heute sehr selten zu finden sind. Oft würde man sie wahrscheinlich auf einem Flohmarkt sowieso nicht als Fahr- radzubehör erkennen.

Und wer nun meint, solche skurrilen Gimmiks gäbe es heutzutage nicht mehr, der möge sich in einen Autozubehörladen begeben und zum Beispiel nach einer Unterboden- oder Schalthebelbeleuchtung fragen... und dann staunen.

Anzeige aus 'Radmarkt' 1936
Anzeige aus 'Radmarkt' 1936

Ich beginne mit einem wenigstens ein bisschen kuriosen Stück: dem 'Backwaren-Träger'. Gefunden habe ich diese Abbildung in einer Ausgabe der Zeitschrift 'Radmarkt' aus dem Jahr 1936.

Erfunden hat dieses Fahrradzubehör, auf das sicher alle gewartet haben, die Firma Lüttgens & Engels aus Solingen-Gräfrath und meldete sogar ein Patent darauf an. Ob dieses Ding wirklich jede Konditorei brauch- te, wie die Anzeige behauptet, sei mal da- hin gestellt. Dass sicher nicht jede Kon- ditorei so einen Transportbehälter kaufte scheint allerdings sicher zu sein, ansonsten man wenigstens ab und zu einen finden würde.

Wie dem auch sei, ein wie ich meine ganz interessantes Stück, das zeigt, wel- chen Stellenwert das Fahrrad als Transportmittel zu vergangenen Zeiten besaß.

Die Profile von Luftreifen sind ja von Anbe- ginn ihrer Existenz an einer äußerst dyna- mischen Entwicklung unterworfen. Blättert man alte Fahrradkataloge durch, dann wird man die absonderlichsten Profilgestaltungen finden. Allzu oft sind diese nicht unbedingt einer technischen Weiterentwicklung ent- sprungen, sondern - wie übrigens heute auch noch - ein optischer Verkaufanreiz.

Der Name des Herstellers im bzw. als Profil war zum Beispiel ein gerne verwendetes Ge- staltungselement bei Fahrradreifen. Dass ab- er das Profil sogar als politisches Statement herhalten musste, darf ohne Zweifel als Ku- riosität eingestuft werden.

Die gezeigte Abbildung fand ich irgendwann im französischen Internet und sie kam mir damals so absonderlich vor, dass ich zuerst an ein Fake glaubte. Mittlerweile meine ich aber, dass es fast nichts gibt, was sich ein krankes Gehirn nicht schon einmal ausgedacht hätte.

Für einen Menschen, der die Begeisterung vieler Sammler für die sog. Truppen-Fahrräder der deutschen Wehrmacht so gar nicht nachvollziehen kann, ist das natürlich starker Tobak. Als Historiker betrachtet man solcherart Auswüchse dann doch eher distanziert als ein Zeugnis der entsprechenden Zeit.

Katalogblatt 1913, diverse Halterungen für Fahrräder
Katalogblatt 1913, diverse Halterungen für Fahrräder

Das Bedürfnis des Menschen, auf dem ersten in Großserie produzierten Indivi-dualverkehrsmittel nicht nur sich selbst, son- dern auch Gegenstände mitzu- nehmen, er- zeugte allerlei Halterungen, Fahrradkoffer und Gepäck-Tragevor- richtungen für Fahr- räder. Den ordinären Gepäckträger kennen wir  noch, so manche Spezialhalterungen für den Gebrauch an Fahrrädern dagegen kommen uns heutigen Menschen doch eher seltsam vor - was sie in damaligen Zeiten mitnichten waren.

Gerade sperrige und lange Gegenstände lassen sich naturgemäß auf einem nor- malen Gepäckträger schlecht bis gar nicht vernünftig transportieren. Daher gab es früh Spezialhalterungen für Gewehre (auch an zivilen Rädern übrigens), Säbel, Spazierstöcke, Schirme, Taschenuhren und einiges andere mehr. Er- staunt hat mich aber, dass es bereits 1913 Fahrradhalterungen für Tennis-schläger gab. Gefunden habe ich die gezeigte Abbildung in einem fran- zösischen Katalog.

Katalogblatt 1913, Staubbrillen für Hunde
Katalogblatt 1913, Staubbrillen für Hunde

Da die Straßen damals nicht geteert waren, war das Fahren darauf zumeist eine recht staubige Angelegenheit. Um den Staub we- nigstens den Augen fern zu halten, gab es allerlei geschlossene Brillen für den Fahr- radfahrer. Dass es solche aber auch für Hun- de gab, wollte ich Ihnen nicht vorenthalten. Das ist zwar kein spezifisches Fahrrad-zubehör, aber ich konnte nicht umhin, diese schmucken Brillen hier zu zeigen. Stellen Sie sich ihren vierbeinigen Partner mit so einer Brille vor!

Katalogblatt 1911, Gabel-'Stabilisierung'
Katalogblatt 1911, Gabel-'Stabilisierung'

Nur sehr kurz, genauer bis 1912, taucht eine recht absonderliche Konstruktion namens 'Le Mentor' in französischen Fahrradzube-hör-Katalogen auf.

Der Text verspricht eine deutliche Stabili-sierung des Fahrverhaltens, indem das Vor- derrad ständig in die Mittelstellung zurück gezogen wird. 'Très pratique' sollte das sein. Nun, wenn man sich die Fahrphysik eines Rades betrachtet, dann möchte man daran zweifeln, denn es ist ja gerade nicht der stu- re Geradeauslauf der ein Zweirad stabi-lisiert - im Gegenteil. Bei leichtem Federzug mag das noch funktionieren, wird aber auch zunehmend wirkungslos. Einzig beim Tragen erscheint mir diese Konstruktion Vorteile zu bieten. 1913 scheint man dann auch darauf gekommen zu sein und so bleibt dieser Apparat ein kurioses Zubehörteil in der Fahrrad-historie, wie geschaffen für diese Rubrik.

Werbeplakat 1910er Jahre, 'Le Cavalade'
Werbeplakat 1910er Jahre, 'Le Cavalade'

Nur für uns heutige Radler kurios erscheinen die bis in die 1930er Jahre (bei Rennrädern bis in die 70er Jahre) weit verbreiteten Nagelreißer, auf französisch 'Arrache-Clou'.

Einer der größten Feinde des Radlers stellten damals von den Zugtieren verlorene Hufnägel dar. Auch scharfkantige Steinchen der unbefestigten Straßen waren für die empfindlichen Pneus eine veritable Gefahr. Reifen und Schläuche aus Naturkautschuk waren zu damaliger Zeit ungemein teuer und ein Plattfuß kostete somit nicht nur Zeit, sondern auch richtig Geld.

Um zu verhindern, dass sich die massenhaft herum-liegenden Nägel langsam in den Reifen bohrten, wur- den sie durch die Nagelreißer spätestens nach einer halben Umdrehung des Ra- des 'gezogen'. So ließen sich wenigstens einige Defekte verhindern, wenn natürlich lange nicht alle.

Nagelreißer 'The Quick', französisch 1910/20
Nagelreißer 'The Quick', französisch 1910/20

Nagelreißer gab es in vielen unterschiedlich- en Ausführungen: als Ketten, feststehende Blechstreifen oder auch in Form von fle- xiblen Drahtbügeln, die zwischen die Gabel- holme oder unten an die Schutzbleche mon- tiert wurden. Erst mit dem Aufkommen der Motorisierung verschwanden die Zugtiere nach und nach von den nun besser ausge-bauten Straßen und mit dem Feind des Velo- zipedisten die Nagelreißer - natürlich nicht ohne sich sofort einem neuen, übermächti- gen Gegner gegenüber zu sehen: dem motorisierten Fahrzeug.