Diese etwas betagte, aber durchaus adrette Dame ist das jüngste Mitglied meiner kleinen Peugeot-Sammlung.
Es handelt sich um das Modell 'Dame Luxe', also die Luxusausführung der Damenräder bei Peugeot.
Kennzeichnend für die Ausführung 'Luxe' ist vor allem eine innengeführte vordere Stempelbremse. Holzfelgen und Holzschützer waren auch bei diesem Modell aufpreispflichtig (Serie Stahl), wie überhaupt die Aufpreislisten bei Peugeot ähnlich denen heutiger deutscher Automobilbauer ellenlang ausfielen. Der Preis für ein Rad konnte sich bei undiszipliniertem Gebrauch derselben schnell um bis zu 50% erhöhen.
Die Dame kam in einem wirklich sehr schönen Zustand zu mir, umso mehr, wenn man ihr Alter bedenkt. Technisch war noch alles im Grünen Bereich, auch wenn die Holzfelgen etwas wurmstichig und stellen- weise morsch erscheinen. Alle Lager laufen einwandfrei und überhaupt scheint die Dame sehr wenig Kilometer gesehen zu haben.
Für den optischen Aufputz war kein Lifting erforderlich, es langte ein intensives Bad mit anschließendem Peeling, um Lack und Nickel wieder glänzen zu
lassen. Die bei fortgeschrittenem Alter unausweichlich auf- tretenden Altersflecken und kahlen Stellen habe ich mit etwas Schminke, sprich pigmentiertem Wachs, soweit kaschiert, dass sich Madame
nun wieder ohne Scham in der Öffentlichkeit zeigen kann.
Sehr schön erhalten zeigt sich der Schriftzug und auch das seltene, weiß unterlegte Messingschild. Die einfachen Peugeot-Modelle dieser Zeit mussten an dieser Stelle mit einem schnöden Abziehbild vorlieb nehmen, nur die Luxusmodelle protzten mit einem prächtigen Metallemblem. Erst um 1902/3 kamen alle Modelle in den Genuss eines Messingschildes, nun allerdings in deutlich abgespeckter Variante ohne farblich gestalteten Hintergrund.
Wie zu dieser Zeit üblich besitzt das Fahrrad noch keinen Freilauf, sondern es wird sich mittels starrem Antrieb im Dauertretmodus fortbewegt. Ein Fixie - für die jungen Leser unter Ihnen.
Das Kettenblatt zeigt sich zumindest bei diesem Damenmodell noch zweiteilig. Leider besitze ich keinen Katalog von 1899, aber spätestens 1901 sind die Kettenblätter aller Fahrradmodelle nur einteilig ausgeführt (außer bei Spezialrädern wie Tandems etc.), vor 1899 waren sie bei Damenmodellen ebenfalls einteilig und eher schlicht gehalten.
Eine Besonderheit, die ich bislang weder auf Abbildungen noch in Natura gesehen hatte, stellen die Kette sowie die Pedale dieses Damenmodells dar. Sie bestehen nämlich aus einer Kupferlegierung (keine Verkupferung!), vom Farbton her eventuell einer Bronze. Kette wie Pedale sind originale Peugeot-Teile und kein Zubehör. Bei der Kette bestehen die Laschen, bei den Pedalen der Käfig aus dieser Legierung. Da außer der Korrosionsbeständigkeit, die man aber ebenso durch eine Vernickelung erreichen kann, keine technische Notwendigkeit besteht an diesen Stellen auf Buntmetall zurückzugreifen, gehe ich davon aus, dass es hier ausschließlich um den optischen Effekt ging. Durchaus nicht ungewöhnlich, sieht man sich motorisierte Fahrzeuge oder auch Luxusgegenstände dieser Epoche an.
Möglicherweise waren solcherart Showelemente eine aufpreispflichtige Sonderausstattung. Aber wie geschrieben, mir fehlen noch die Kataloge von 1899 bzw. 1900 um das nachprüfen zu können.
Die vordere Holzfelge ist definitiv jünger und stammt wahrscheinlich aus den 1920er oder -30er Jahren. Bei der hinteren Felge bin ich nicht sicher ob sie noch original ist, ebenso beim Kettenschutz aus Holz. Ursprünglich war Celluloid aufgespannt, geringe Reste davon finden sich noch zwischen einigen der kleinen Nägel.
Ergänzen musste ich den Sattel. Hier habe ich mich für einen wunderschönen ge- prägten Damensattel von Brown-Paris aus meinem Teileregal entschieden, auch wenn er ein paar Jahre jünger als das Fahrrad ist. Formal entspricht er aber durchaus damals gebräuchlichen Sätteln. Auch die Bereifung musste ich 'erneuern', das moderne Profil der montierten schwarzen Reifen war mir wie immer ein Graus und passte überhaupt nicht zum Rad. Stellen Sie sich eine elegante ältere Dame in Abendkleid und Turnschuhen vor... Nun sind graue Michelin-Reifen in der Größe 650 B Standard aufgezogen. Auch diese aus den 1910er Jahren, aber ebenfalls formal der zeitgemäßen Bereifung um 1900 entsprechend. Man könnte sie sogar noch für kurze Ausfahrten nutzen, allein die Felgen würden das wahrscheinlich nicht lang überstehen.
Der (noch) fehlende Rockschutz war zur Jahrhundertwende eher schlicht gehalten. Einfache dicke Fäden bzw. Schnüre, die durch verschiebbare Perlen oder auch kleine Federn auf Spannung gehalten wurden. Hier bin ich noch mit meiner Freundin in Verhandlungen, weil mir jegliche Arbeiten mit Fäden seit einem kindlichen Volksschul-Häkel-Trauma zuwider sind. Der Knöpfe-Annähen-Befehl bei der Bundeswehr machte das auch nicht besser...
Über die Luxus-Dame habe ich mich sehr gefreut, vor allem, weil ich schon ein nur wenige Monate älteres Herrenrad in ähnlichem Zustand besitze und ein Pärchen fast identischer Fahrräder immer einen ganz besonderen Reiz ausübt. Außerdem hat sie mir geholfen, einige noch ungeklärte Fragen zu beantworten - freilich nicht ohne neue aufzuwerfen...